Es war an einem Sonntag, 24. Oktober, 1976. Gegen 17 Uhr wurde die Leiche einer jungen Frau im Wald gefunden: nackt, bedeckt mit Laub, Ästen und Schmutz. Es lag weder Krankheit noch eine Vergiftung vor; Anzeichen von Schuss- und/oder Stichwunden waren auch nicht vorhanden - wahrscheinlich war ihr entweder die Kehle aufgeschlitzt oder sie war erdrosselt worden. Die üblichen Ermittlungen: Gebiet durchkämmen, Nachbarn befragen, Metalldetektor usw. blieben ohne Ergebnis, der Fokus der Polizei richtete sich daher auf die Liste aller vermissten Mädchen, die zur Beschreibung passten: 1994 wurde die Akte des Heulmeisjes, diesmal mit Monique Jacobse vorne darauf, erneut eröffnet, nachdem die Polizei einen Tipp wegen eines 73jährigen Mannes aus Groenlo als möglichen Mörder erhielt, der auch geographisch paßte, da der damals 55-Jährige 1976 an einer Schule in der Nähe vom Fundort unterrichtet hatte. Nach seiner Pensionierung war er mitsamt Frau nach Groenlo gezogen, wo seine Gesundheit sich drastisch verschlechterte - zweimal war der depressive Mann in einer psychiatrischen Einrichtung gewesen. Verschiedene Begebenheiten hatten seine Frau misstrauisch werden lassen, sie vermutete ein schreckliches Geheimnis und konfrontierte ihn mehrmals mit dem Leichenfund von 1976. Aber er leugnete jedes Mal. Dann kam seine Verhaftung und er wurde erneut in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen. Die ständigen Vorwürfe und Verhöre, das Mißtrauen - irgendwann machte der alte Mann ein Geständnis, was dank einiger Indizien durchaus ernst genommen wurde, zumal er es seiner Familie vor der Verhaftung gestanden haben soll. Bis 2006 zweifelte niemand außer ihrem Zahnarzt daran, dass das Heulmeisje Monique Jacobse war, dann meldete sich Monique. [Wir alle waren uns immer sicher, dass unsere Schwester Marion irgendwann in der Öffentlichkeit Erfolg haben würde, und so googelte ich vertrauensselig 2006 (würde ich heute nicht mehr machen, es gibt Suchmaschinen, die keine Daten sammeln), um ihr via E-Mail alles Gute zum 50. Geburtstag zu wünschen. Ich war nicht sicher, ob mein zaghaftes Anklopfen nach so vielen Jahren willkommen war, daher gab ich mich nicht sofort zu erkennen und eierte herum - kann ich gut. Irgendwann mußte ich verblüfft feststellen, dass sie wahrhaftig Zweifel an meine Identität hatte - ernste Zweifel. Das hatte ich nicht erwartet. Erst als ich mit Details aufwartete, die nur wir beide wissen konnten, wurde sie stützig: Die Sucherei nach der Identität des Heulmeisje ging also erneut los, dafür war die Technik drei Dekaden weiter. Man ordnete eine Gesichtsrekonstruktion an; Schädelmaße und zahnärztliche Aufzeichnungen von 1976 wurden ebenfalls verglichen. Das Ergebnis war ein Foto, das 2007 in "Opsporing Verzocht" vom niederländischen Sender präsentiert wurde; das Bild ist nicht aktuell, wird daher hier nicht gezeigt. Zudem meldeten sich etliche Anwälte im Namen von Familien, die wissen wollten, ob das Mädchen nicht ihr Kind sein könnte. Kein Treffer. Isotopenuntersuchungen kamen hinzu. An Haaren, Zähnen und Knochen des Heulmeisjes konnte man feststellen, dass sie in einem vulkanischen Bereich aufgewachsen war. Innerhalb Europas hieß das: Eifel (Deutschland), Auvergne (Frankreich), Böhmen (Tschechische Republik), Griechenland oder Italien. Die Sauerstoffisotope hingegen schlossen Auvergne, Griechenland und Italien aus. Auch Böhmen kam nicht mehr in Frage. Blieb nur die Eifel. Anfang 2013 verkundete das Niederländische Forensische Institut Heulmeisjes endgültige Alter: 13,5 bis 15 Jahre - oh, doch ein gutes Stück jünger als ursprünglich angenommen. Die alte Rekonstruktion von Heulmeisjes Gesicht ging von einem älteren Mädchen, fast schon junger Frau aus, also musste eine neue Rekonstruktion her. Es wurde in Schottland an der University of Dundee angefertigt und in etlichen Medien präsentiert:
2013 kam die deutsche Polizei mit dem Plan einer DNA-Verwandtschaftssuche, mit dem Hintergedanken, Heulmeisjes DNA-Profil mit denen der Polizeidatenbanken von beiden Ländern zu vergleichen - vielleicht könnte man so einen Verwandten des Mädchens aus dem Hut zaubern? Dies wurde 2016 von Deutschland genehmigt und meines Wissens bisher nicht durchgeführt. In den Niederlanden gibt es übrigens (leider) eine Verjährungsfrist auch für Mord, Priorität hat daher für die NL nicht die Auffindung des Mörders, sondern die Identität dessen Opfer: das Heulmeisje. Sollte der Täter und/oder das Opfer allerdings wie angenommen kein Niederländer sein... Hm. Ja, es ist 34 Jahre her, und das ist eine ganze Weile. Dennoch kann es doch sein, dass sie trotzdem irgendwo immer noch jemandem fehlt: einer Schwester, Nichte, ehemaligen Schulfreundin? Wer Hinweise hat, bitte gleich an die Polizei weiterleiten. Danke!
Versuche immer noch, das Wegwerfen einer guten wahren menschlichen Geschichte zu verdauen, schwupps: in die Verbrechertonne - nämlich hier: War eventuell sogar gut gemeint; aber nach dem Lesen war meine erste, zweite und dritte Reaktion: vielleicht sollte man es einfach lassen und alle Versuche begraben, das Heulmeisje doch noch zu ihrer Identität zu verhelfen. Es geht gar nicht um sie, es ist nur die Lust am Gruseln. Mehr nicht. Schade. Wer aber dennoch denkt, etwas zu wissen, heulmeisje ist auf Twitter. Etwas Positives kam dabei doch daraus: auf der Suche nach passenden Unterlagen fand ich ein Schreiben vom Arbeitsamt, welches es mir als Ausländer untersagte, freiberuflich tätig zu werden. Für mich gehörte alles um meine größere Werke* bis dahin zur Kategorie "Brainfog Fata Morgana", jahrelang konnte ich auf Fragen wie: "Gibt's denn arbeiten von dir irgendwo?" nur mit dem hilflosen Hochziehen meiner Schultern reagieren - ein harter Brocken für mein Selbstbewußtsein.. © 2020 hexandthecity *Krisen bewirken bei jedem was anderes. Während Corona hat der eine sich das Stricken, die andere das Gitarrenspielen beigebracht; viele Keller sind endlich entrümpelt, einige Gärten nun eine mittlere Katastrophe. Mein zweiter Krisenstreich entstand, als hierzulande die Asylheime brannten: "saltener bits". Mit Liebe und Humor geschrieben. Der Siegeszug der Digitalismus hatte da bereits angefangen, deutlich erkennbar auch im späteren Jugendbuch, erstaunlicherweise noch ohne Titel (Korrektur: das Jugendbuch heißt "the icemakers" - ist mir tatsächlich wieder eingefallen) - als Oma hat auch mich das Thema "Daddeln" interessiert, als Tochter einer der ersten Frauen, die im Computerwesen eine Zukunft sah, erst recht.. Geld macht bekanntlich dumm. Die Finanzkrise und Occupy haben bei mir nichts Kreatives bewirkt, bin wie so viele auf die Straße gegangen und dann auch noch komplett ausgestiegen. Erst 2015 kam die nächste literarische Eruption während der Flüchtlingskrise: "gesiebtes brot", allerdings handelt es unterschwellig mehr von meiner eigenen Krise zwischen Brainfog und pflegebedürftiger Mutter, tja, steht alles im Buch, Leseprobe anbei. Seit 2020 ha'm wir #Corona. Anfangs waren alle solidarisch: die digitale Umarmungen, das Klatschen allen, die sich dennoch exponieren mußten, die Onlinekonzerte - war das nicht irgendwie wunderschön? Und alles geschenkt! Mein Beitrag war "corona blues", diesmal mit erstaunlich wenig Bio. Aus der #Solidarität am Anfang wurde eine einzige Schlammschlacht zwischen Geimpften und Ungeimpften, anstatt Lösungen (es gibt einige sog. Totimpfstoffe, macht doch ein wenig Drück, verflixt) zu suchen fallen alle übereinander her. Nichts dazu gelernt. Mensch. Achtung, außer "corona blues" und dessen engl. Übersetzung "off the beach" gibt es von allen "books" nur Leseproben, hab sogar Exposés und derlei zustande gebracht. Irgendwo. Interessierte Verleger bräuchten allerdings eine Rechtsabteilung für die Gründung einer Stiftung - meiner lustigen Klaue sieht man es nicht an, aber ich bin konsequent und möchte mit diesem Finanzsystem nichts zu tun haben. Irgendwann kommt jeder in das Alter, wo man denkt: na, wird langsam Zeit - auch meine Gesundheit und die Arbeit an hexandthecity pusht: Erinnerungen kommen hoch, einiges schwindet in eigener Bedeutungslosigkeit, andere strahlen mich plötzlich an wie eine alte Liebe. Also los. Mein Ziel war und ist ein sehr großes Grundstück - falls noch nicht Naturschutzgebiet, würde ich schleunigst daran arbeiten. Kein Baum, kein Wolf soll weichen müssen, weil wir vermessene Menschen den Platz für uns beanspruchen oder etwas unschön oder unbequem finden. Habe bereits als junge Frau und Mutter, wohlgemerkt: alleinstehende zweifache Mutter, die Wichtigkeit eines Daches überm Kopf erkannt, es ist nicht nur der größte Geldposten, es gibt tatsächlich ein Recht auf Wohnen (u.a. Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte) - wann verpassen wir diesem Grundrecht endlich ein festes Fundament? Mein Ehrgeiz beschränkt sich darauf, das was ich tue, ordentlich zu tun, also sein Bestes zu geben, und ich finde, das müßte normalerweise reichen - wenn nicht, sind die Rahmenbedingungen nicht in Ordnung. Jetzt stellt euch mal vor, wir wären alle ausreichend versorgt: Wohnung inklusive autonomer Strom- & Wasserversorgung und Garten (ein Balkon oder Fensterbank vermag auch viel, come on!) - wir könnten uns dann, Bescheidenheit vorausgesetzt, aussuchen, was wir am liebsten mit unserer Zeit anfangen würden: nix Ausbeutung, 3 Jobs und Sanktionen oder Schuften bis zum Umfallen, um sein Bißchen Rente für später zu sichern, nix Wohngeld, nix Überwachung und ständiges Zurverfügungstehen ob via Smartphone oder sonstwas - ein paar Stunden Arbeit in der Woche würde den meisten reichen, wozu sonst ist Automatisierung, Digitalisierung und wasweißichnoch da? Für Workaholics bliebe immer noch genug. Jessas, wir könnten es uns aussuchen - vielleicht möchte der eine sich mehr um alte Menschen, Kinder, den Garten zwecks Eigenversorgung, irgendein Ehrenamt kümmern, eine Fremdsprache erlernen, eine Software kreiern, die aufgeblähte Gesundheitskassen schrumpft oder überflüssig macht oder gar ein neues transparentes Gesundheitssystem ermöglicht? Geld wurde allmählich zu dem schrumpfen, was es sein sollte: ein Tauschmittel. Vielleicht steigt die Großfamilie, durch eine abgeguckte bzw aufgezwungene Mobilität in alle Winde verweht, wieder aus der Asche und man fängt wieder an, das eine oder andere zusammen zu machen? Da aber zu befürchten steht, dass dieser Zustand und auch das #BedingungsloseGrundeinkommen auf sich warten lassen wird, möchte ich eine Stiftung gründen. Habe zu diesem Zweck bereits einen Verleger vergrault, weil ich anstatt Honorar eine Stiftung möchte. Bin keine Geschäftsfrau und brauche nicht viel - warum sollte ich mir sowas antun? Was so peu à peu an den Tag kommt, habe ich immer gewusst: dieses Geldsystem taugt nichts - selbst mit Muscheln handeln ist besser. Also, wer einen Verleger kennt, der sich auf sowas (nur Stiftung - Sauna etc. können wir allein) einlassen würde, anstatt immer nur über Gott und die Welt zu philosophieren - tell me, please! Ach so, und nein danke, E-Books hab ich ausprobiert - ist nicht meins. Diese letzte freie Fläche wird genutzt, um abzuschließen, oder besser: um aus einigen Geschichten eine einzige zu machen, nämlich meine. In dem Bemühen, einiges aufzuklären und auch, es hier unterzubringen, damit nicht nur meine Kinder und deren Kinder und wen es noch interessiert, verstehen, fing ich selbst an, ein paar Dinge in ihrer Gesamtheit zu hinterfragen und teilweise zu erfassen. Bei mir werden Gedanken erst klar, wenn sie niedergeschrieben werden, vorher sind sie wie die Landschaft, die im Zug an einem vorbeirauscht: meist ist man mit etwas anderem beschäftigt und sieht zwar alles, aber im Grunde nichts. Die schwersten Päckchen, das viele Kinder zu tragen haben, sind die Erwartungen, die in sie gesetzt werden - ich vermute, deswegen habe ich von meinen wenig erwartet: sie sollten eine schöne Kindheit haben und ihren Weg finden, welchen Weg auch immer. Ich war und bin sicher, sie schaffen es. Bye, macht's gut!
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